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Die Erfahrungen des Publikums gleichen sich auf den meisten Konferenzen wie ein Ei dem anderen. Die wenigsten Veranstalter haben begriffen, dass sich das Umfeld für ihre Events in den vergangenen Jahren recht umfassend verändert hat.

Jeff Hurt, Eventmanager und Blogger aus den USA, schreibt in einem Blogpost, dass die nächste Grenze, die eine Konferenz produktiv, erwähnenswert und besonders macht, in der Erfahrung der Besucher liege.

Der Sinn von Konferenzen besteht darin, Informationen zu teilen und den Teilnehmern Gelegenheit zu geben, ihr professionelles Netzwerk zu erweitern. Die Möglichkeiten dazu sind heute längst nicht mehr an ein singuläres Event gebunden – im Internet sind sie permanent und massenhaft verfügbar. Daraus folgt unter anderem, dass es den Teilnehmern einer Konferenz schwerfällt, den Wert einer solchen Veranstaltung für Informationsvermittlung und Networking überhaupt noch wahrzunehmen und von anderen (digitalen) Wegen dafür zu unterscheiden.

Traditionelles Management von Konferenzen – meist wenig originell

Die Konsequenz daraus: Gute – also produktive – Konferenzen müssen ihren Besuchern einen echten Mehrwert bieten, den diese in der digitalen Welt nicht finden können. Veranstalter und Eventmanager bieten ihnen statt einer spezifischen Erfahrung jedoch graues Einerlei: Informationsvermittlung im Plenum, die an Universitätsvorlesungen erinnert, Lunch- und Kaffeepausen, allenfalls noch Diskussionsrunden im kleineren Kreis. Auch Qualität und Preise der Veranstaltungen sind sich oft zum Verwechseln ähnlich. Für die Veranstalter hat das zur Folge, dass sich ihre Kunden – Unternehmen und andere Institutionen – für das günstigste Angebot entscheiden.

Den Konferenzteilnehmern winkt die gewohnte Langeweile. An der Frage, ob es sinnvoll ist, die tradierten Abläufe zu durchbrechen und den Konferenzbesuchern individuelle Erfahrungen zu bieten, scheiden sich derzeit die Geister – im Eventmanagement und bei den Kunden, die sich ihre Konferenzen organisieren lassen. Die Gründe dafür finden sich unter anderem darin, dass das Ziel „individueller Erfahrungen“ nicht leicht zu definieren und – scheinbar – noch schwerer umzusetzen ist.

Drei Erfahrungskriterien sind prägend

Der New Yorker Psychologe, Philosoph und Pädagoge John Dewey beschrieb Erfahrungen bereits vor Jahrzehnten als Interaktionen, die zwischen einem Individuum und seiner Umgebung vor sich gehen. Jeff Hurt greift diesen Ansatz auf und wendet ihn auf die Organisation von Konferenzen an. Aus seiner Sicht geht es um drei wesentliche Komponenten:

1. Umgebung

Eine bestimmte Umgebung kann inspirieren und zu neuen Erfahrungen und Interaktionen führen oder muss eben ausgehalten werden. Bei der Organisation von Konferenzen geht es bisher meist um Effizienz, Funktionalität, Budget-Fragen und das Erreichen vordefinierter und oft eher abstrakter Ziele. Spannend können Konferenzen werden, wenn sie nicht nur Raum für etablierte Rituale, sondern für positive Emotionen und informelles Networking bieten. Entscheidend für den Erfolg einer Konferenz ist, ob die Veranstalter eine Umgebung schaffen können, die den Austausch von Informationen – also Lern- und Kommunikationsprozesse – fördert und dazu beiträgt, dass eine aktive Konferenz-Community entstehen kann. Die Frage ist, welche „physische Umgebung“ dafür nötig ist – und auch, ob Unternehmen und Institutionen bereit sind, für einzigartige Erfahrungen der Teilnehmer ihrer Konferenzen zu bezahlen.

2. Erwartungen und Ziele

Hier geht es darum, was die Teilnehmer einer Konferenz tatsächlich mit nach Hause respektive in ihren Business-Alltag nehmen: neue praktische Fähigkeiten, Wissen, Emotionen. Diese Erfahrungen können – oft weniger nachhaltig – durch passive Beobachtung oder aktive Partizipation zustande kommen. Hurt stellt in diesem Kontext die „emotionale Reise“ der Teilnehmer heraus, die eine zentrale Rolle dabei spiele, ob eine Konferenz – aber auch jedes andere Event – ihren Zweck erfüllt, also die von den Veranstaltern beabsichtigten Ziele erreicht oder verfehlt. Die Antizipation dieser „emotionalen Reise“ sei ein wesentliches Element der Planung und Vorbereitung von Konferenzen. Die Aufmerksamkeit und die (emotionale) Präsenz der Teilnehmer sollen dabei so gesteuert werden, dass die produktiven Potenziale der Veranstaltung voll zum Tragen kommen.

Aufseiten der Initiatoren steht hinter dieser Steuerung ein permanenter Lernprozess: Was hat dazu beigetragen, dass frühere Konferenzen von den Teilnehmern als grossartig wahrgenommen wurden? Wo lagen die Ursachen für (partielle) Misserfolge? Welche inhaltlichen und atmosphärischen Erwartungen haben die Teilnehmer an eine konkrete Konferenz?

3. Interaktion, Begegnung

Die tatsächlich stattfindende Interaktion ist für das Gelingen einer Konferenz die dritte – und entscheidende – Komponente. Was sehen, tun und fühlen die Teilnehmer während der Zusammenkunft? Welchen Raum bekommen sie für individuelle und aktive Interaktionsprozesse? Generell gilt, dass Konferenzteilnehmer sich einzigartige (Lern-)Erfahrungen wünschen. Hurt führt an dieser Stelle den Begriff „Lern-Design“ in die Debatte ein, der über reine Informationsvermittlung weit hinausgeht.

Differenziertes Lern-Design

Lern-Design bedeutet in seiner Definition, dass der Fokus der Veranstaltung auf Aktivitäten und praktischen Übungen liegen sollte, an denen die Teilnehmer partizipieren können. Mit einigen mehr oder weniger hochkarätigen Vortragenden ist es also nicht getan, entscheidend ist vielmehr, auf welche Art und Weise diese sich zu ihrem Auditorium in Beziehung setzen. Es geht um kollaboratives und kommunikatives Lernen sowie um die Möglichkeit, die vermittelten Informationen/Lerninhalte zu interpretieren, zu diskutieren und im weitesten Sinne praktisch zu erproben. Ein solcher Ansatz erfordert eine Konferenzorganisation, in der die Vermittlung von Inhalten im Plenum, Gruppendiskussionen und informelle Phasen gleichberechtigt nebeneinanderstehen, und „Lernumgebungen“, die für diese verschiedenen Anforderungen jeweils massgeschneidert sind.

 

Oberstes Bild: © Rawpixel – Shutterstock.com