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Jeder städtische Raum ist im steten Wandel begriffen. Häuser werden gebaut und wieder abgerissen, Strassen neu geplant und wieder verlegt, Fabriken öffnen und schliessen ihre Tore und manches Geschäft hat schon viele Besitzer gesehen.

Zwischen dem Verlassen und der neuerlichen Nutzung eines Gebäudes oder eines Grundstücks kann indes viel Zeit vergehen. Für manche Zeitgenossen üben diese ungenutzten Räume eine geradezu magische Anziehungskraft aus. Dies sind die Urban Explorer, die städtischen Entdecker, die sich kurz „Urbexer“ nennen.

Die Stille der schlafenden und langsam zerfallenden Räume setzt einen perfekten Kontrast zu dem Trubel und dem Lärm der Innenstädte. Dort, wo einst das Leben pulsierte und Geschichten passierten, welche die Welt am Laufen hielten, herrscht nun nur noch die Akzeptanz des Vergangenen. Gerade das Echo des Erlebten ist in diesen verlassenen Räumen und Plätzen noch deutlich spürbar.

Die wichtigsten Werkzeuge eines Urbexers sind eine GPS-Ausstattung und eine hochwertige Kamera. So kann der Nachwelt ein Zeugnis davon festgehalten werden, an welchem Ort welches Gebäude stand. Professionelle Urbexer fangen hier jedoch erst an: Zu einer echten urbanen Entdeckung gehört auch dazu, möglichst viel über das verlassene Gebäude herauszufinden. Gute Kontakte zum städtischen Archiv und ein freundliches Wesen, um auch Anwohner befragen zu können, helfen bei diesem Hobby enorm weiter.

Viele professionelle Urban Explorer bieten vielerorts Stadtführungen der anderen Art an. Diese Rundgänge zeigen den neugierigen Teilnehmern Ecken und versteckte Hinterhöfe, die jede für sich eine besondere Geschichte erzählen können. Neben der Faszination für das Verlassene, gesellt sich auch ein leichter Reiz des Verbotenen. Denn vielerorts ist das Betreten der leerstehenden Orte nicht gestattet.

Was mit der einen oder anderen Örtlichkeit, welche durch das Radar der Spekulanten, Investoren und Baulöwen gefallen ist, beginnt, findet weltweit seinen Weg in wahrhaft spektakuläre Orte des Vergessens.

Von den legendären Geisterstädten des Wilden Westens wurde schon viel geschrieben. Doch auch die Moderne hat „Abandoned Places“ zu bieten, deren Besuch den Neugierigen den Atem rauben kann.

Detroit, das einst pulsierende Herz des autoverrückten Amerikas, ist zum Mekka der Urban Explorer geworden. Aus aller Welt kommen Neugierige, Künstler, Fotografen und Touristen, um sich den immer schneller fortschreitenden Verfall dieser einst so wichtigen Stadt anzusehen. Kathedralengrosse Kirchen, riesige Bahnhofsgebäude und natürlich viele leerstehende Fabriken locken mit ihren Geheimnissen.

In Japan steht ein riesiger Vergnügungspark leer. Das „Nara Dreamland“, wo einst Familien mit ihren Kindern Zuckerwatte assen, Achterbahn fuhren und sich in Geisterbahnen gruselten, wurde erst 2006 geschlossen. Heute regieren dort Rost, Zerfall und die Natur, welche sich mit aller Macht zurückholt, was ihr einst genommen wurde. Oxidierter Stahl, abblätternde Farbe und wild wucherndes Grün bieten heute Fotomotive, welche in ihrer Einzigartigkeit kaum zu übertreffen sind.

Doch so weit muss man gar nicht fahren. Ähnliches findet man mitten in der deutschen Hauptstadt. Der Berliner Spreepark ist ein noch zu DDR-Zeiten gebauter Vergnügungspark, welcher nach der Wende nicht rentabel arbeiten konnte. Seinen Niedergang besiegelte ein krimineller Manager, welcher zwischenzeitlich in einem Strudel aus Verbrechen in venezulanischen Gefängnissen gelandet war. Urban Exploring hat eben immer auch etwas mit den ganz besonderen Geschichten zu tun, die diese Orte zu erzählen wissen.

Dafür haben die verlassenen Schaugeschäfte des Spreeparks schon für zahlreiche internationale Filmproduktionen als wirkungsvolle Kulisse dienen können. Ob Vampir- oder Kriminalfilm, der Kontrast zwischen den knallbunten Phantasiefiguren und dem Zahn der Zeit ergibt auch hier äusserst dankbare Motive für Foto und Film. A propos Film: Die verlassene Stadt, in welcher James Bond in „Skyfall“ seinen Auftritt hatte, gibt es ebenfalls wirklich. Die aus der Ferne wie ein gestrandeter Zerstörer wirkende Insel „Hashima“ liegt vor Nagasaki. Es war eine Bergarbeitersiedlung, die nach der plötzlichen Schliessung der Mine 1974 von den Bewohnern quasi fluchtartig verlassen wurde. Das Betreten der Insel ist für Urban Explorer nur im Zuge einer Touristenreise möglich. Die begehbaren Pfade sind jedoch eng begrenzt, ein wildes Entdecken und Begehen dieses faszinierenden Ortes ist stren16g verboten.

Die Schweiz selbst hat auch einige Plätze zu bieten, welche für Urban Explorer geeignet sind. Die verlassene Gurtenbrauerei in Bern und die Brauerei Cardinal in Rheinfelden gehören bei den Schweizer Urbexern schon längst zu den bekanntesten Plätzen. Die Schweiz ist jedoch aufgrund ihrer hohen Grundstückspreise und der Gründlichkeit ihrer Einwohner längst nicht so verschwenderisch mit leerstehenden Gebäuden ausgestattet wie andere Länder. Es liegt eben nicht in der Natur der Schweizer, wertvollen Grund und Boden nicht sinnvoll zu nutzen.

Wer in seiner Nähe nach geeigneten Motiven dieser Art Ausschau halten möchte, der kann sich in den zahlreichen Internetforen für dieses Thema die Anregungen holen.

Doch der Hauch des Konspirativen und Verbotenen geht beim Urban Exploring immer mit. Wer sich davon nicht schrecken lässt, auf den warten Motive und Erlebnisse, welche in ihrer Vergänglichkeit einzigartig sind.

 

Oberstes Bild: © Thomas_Zsebok – Shutterstock.com

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