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Zum 100. Jahrestag der Russischen Revolution beleuchtet eine Sonderausstellung im Erweiterungsbau des Landesmuseum Zürich die Beziehungen der Schweiz und Russland in einer Zeit des Umbruchs.

Die Ausstellung erzählt anhand von Fotos, Dokumenten, Kunstgegenstände und Gemälden die Geschichte Russlands in dieser Epoche und die Auswirkungen auf die Schweiz. Es ist eine Geschichte von erstaunlich engen Verflechtungen zweier höchst unterschiedlicher Länder.

Im 19. Jahrhundert galt Russland als eines der wichtigsten Auswanderungsländer für Schweizerinnen und Schweizer. Bis 1917 sind es über 20’000, die als Unternehmer, Bäcker, Käser oder Lehrerinnen und Gouvernanten in Russland ein neues Leben beginnen.

Die Migration verläuft aber auch in umgekehrter Richtung. Der wohl berühmteste Exilant war Lenin. Über sechs Jahre lebte der Revolutionär in Genf, Bern und Zürich und bereitete sich von hier aus auf den Umsturz vor.

Sein Schreibtisch aus der Zürcher Wohnung an der Spiegelgasse 14 steht in der Ausstellung symbolisch für diese Zeit. Doch auch für russische Künstler, Intellektuelle und andere Revolutionäre ist die Schweiz ein Sehnsuchtsort.

Als liberale Demokratie und aussenpolitisch neutraler Staat garantiert sie die Meinungs- und Pressefreiheit. Zudem ist es Frauen – anders als in Russland – erlaubt, an einer Universität zu studieren. 1910 leben in der Schweiz knapp 8500 Personen aus dem europäischen Russland, die Hälfte davon in Zürich.

Die Schweizerinnen und Schweizer leben in Russland in einem agrarischen Vielvölkerreich, das von grossen sozialen Gegensätzen geprägt ist. Während russische Bauern am Existenzminium leben, umgibt sich die autokratische Zarenherrschaft mit Luxus und Pracht.

Ein Fabergé-Ei mit einem integrierten Uhrwerk der Firma Moser & Cie, gegründet vom Schaffhauser Auswanderer Heinrich Moser, zeugt davon. Kunstwerke der Russischen Avantgarde illustrieren den Aufbruch, der ab 1900 spürbar wird und schliesslich in der Februarrevolution von 1917 mündet.

Lenin kehrt im April von Zürich nach Petrograd (St. Petersburg) zurück und stürzt im Oktober mit seinen Bolschewiki die provisorische Regierung.

Mit der Machtübernahme der Bolschewiki nach der Oktoberrevolution und dem 1918 beginnenden Bürgerkrieg kühlen sich die diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland ab. Fotos, Briefe und offizielle Dokumente lassen erahnen, wie Gerüchte über eine Einmischung der sowjetischen Gesandtschaft im Landesstreik von 1918 in der Schweiz die Furcht vor dem Kommunismus weiter aufkommen lassen.

Die sowjetische Gesandtschaft wird aus der Schweiz ausgewiesen, die diplomatischen werden Beziehungen abgebrochen und erst 1946 wieder aufgenommen.

Auf 26 Schreibtischen werden Stationen der Ereignisse in Russland ab 1917 bis 1932 erläutert: Bürgerkrieg, Hungersnöte, Entwicklung der Wirtschaftspolitik, Stalins Kampf gegen die Opposition und seine Machterlangung, Industrialisierung und ihre Folgen.

Die Ausstellung thematisiert auch die Entstehung des Gulags. 1923, noch unter Lenin, entsteht das erste Besserungsarbeitslager, welches zum Modell des sowjetischen Lagersystems wird. Unter Stalin entsteht dann ein dichtes Netz an Zwangsarbeitslagern.

Die Ausstellung endet in den frühen 1930er Jahren mit dem Ende des Ersten Fünfjahresplans. Der «Grosse Terror», die Verfolgungs- und Säuberungskampagnen Stalins, stehen noch bevor.

Kooperation mit dem Deutschen Historischen Museum in Berlin

Die Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Museum in Berlin (DHM) entstanden. Es finden zwei separate Ausstellungen statt, die jedoch durch ein gemeinsames Kapitel und einen gemeinsamen Katalog miteinander verbunden sind.

Für die Ausstellung ist ein Audioguide verfügbar. Dieser ist kostenlos in deutscher, französischer, italienischer, englischer und russischer Sprache am Welcome Desk erhältlich oder kann über die App «Landesmuseum» heruntergeladen werden.

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Landesmuseum Zürich | 24.02 – 25.06.17
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Schweizer Illustrierte Zeitung, Nr. 50, 15.12.1917 - Die Schweizer Behörden schenkten den russischen Emigranten wenig Beachtung. Erst nach der Oktoberrevolution wird die Bedeutung Lenins wahrgenommen. (Bild: Schweizerisches Nationalmuseum)
Schweizer Illustrierte Zeitung, Nr. 50, 15.12.1917 – Die Schweizer Behörden schenkten den russischen Emigranten wenig Beachtung. Erst nach der Oktoberrevolution wird die Bedeutung Lenins wahrgenommen. (Bild: Schweizerisches Nationalmuseum)

Boris Iofan, Entwurf für den Sowjetpalast, 1933–1934. Kohle auf Papier, 186 x 203 cm - Den internationalen Wettbewerb für einen Palast der Sowjets gewinnt Boris Iofan. Mit 450 Metern soll es das höchste Gebäude der Welt werden, gebaut wird jedoch nur das Fundament. (Bild: Tchoban Foundation, Berlin)
Boris Iofan, Entwurf für den Sowjetpalast, 1933–1934. Kohle auf Papier, 186 x 203 cm – Den internationalen Wettbewerb für einen Palast der Sowjets gewinnt Boris Iofan. Mit 450 Metern soll es das höchste Gebäude der Welt werden, gebaut wird jedoch nur das Fundament. (Bild: Tchoban Foundation, Berlin)

Gustav Klucis, Unter dem Banner Lenins für den Sozialistischen Aufbau, 1930 - Der Fotograf Gustav Klucis ist bekannt für seine politischen Fotomontagen. Er versteht sich selbst als Künstler im Dienst des sowjetischen Staates – er wird aber 1938 im Zug der stalinistischen Säuberungen zum Tod verurteilt. (Bild: Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung © ZHdK)
Gustav Klucis, Unter dem Banner Lenins für den Sozialistischen Aufbau, 1930 – Der Fotograf Gustav Klucis ist bekannt für seine politischen Fotomontagen. Er versteht sich selbst als Künstler im Dienst des sowjetischen Staates – er wird aber 1938 im Zug der stalinistischen Säuberungen zum Tod verurteilt. (Bild: Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung © ZHdK)

Alexander Rodtschenko, Knigi (Bücher), 1925 - Namhafte Künstler wie El Lissitzky und Alexander Rodtschenko arbeiten für die Propaganda der Sowjetmacht. (Bild: Russische Staatsbibliothek, Moskau. © A. Rodchenko & V. Stepanova Archive / 2017, ProLitteris, Zurich)
Alexander Rodtschenko, Knigi (Bücher), 1925 – Namhafte Künstler wie El Lissitzky und Alexander Rodtschenko arbeiten für die Propaganda der Sowjetmacht. (Bild: Russische Staatsbibliothek, Moskau. © A. Rodchenko & V. Stepanova Archive / 2017, ProLitteris, Zurich)

Wladimir Lebedew | Wladimir Majakowski, One Must Work, the Rifle Is Right Here, 1920/21. Linolschnitt, gemalt, 77,7 x 56,5 cm - Das Propaganda-Plakat der ROSTA (Russische Telegrafenagentur) zeigt den Arbeiter, der jederzeit bereit ist, in den Bürgerkrieg zu ziehen. Die bebilderten Wandzeitungen richten sich vor allem an ein leseunkundiges Publikum. (Bild: © 2017, Staatliches Russisches Museum, St. Petersburg)
Wladimir Lebedew | Wladimir Majakowski, One Must Work, the Rifle Is Right Here, 1920/21. Linolschnitt, gemalt, 77,7 x 56,5 cm – Das Propaganda-Plakat der ROSTA (Russische Telegrafenagentur) zeigt den Arbeiter, der jederzeit bereit ist, in den Bürgerkrieg zu ziehen. Die bebilderten Wandzeitungen richten sich vor allem an ein leseunkundiges Publikum. (Bild: © 2017, Staatliches Russisches Museum, St. Petersburg)

Teller, Red Army, 1922 - Namhafte Künstler entwerfen nach der Revolution Vorlagen für die traditionsreiche Porzellanherstellung. Der rote Stern steht für den Weg in die klassenlose Gesellschaft. (Bild: Tsarenkov Collection, London)
Teller, Red Army, 1922 – Namhafte Künstler entwerfen nach der Revolution Vorlagen für die traditionsreiche Porzellanherstellung. Der rote Stern steht für den Weg in die klassenlose Gesellschaft. (Bild: Tsarenkov Collection, London)

Alexander Deineka, Das Rennen, 1930. Öl auf Leinwand, 150 × 120 cm - Sport ist ein beliebtes Sujet im Sozialistischen Realismus. Nicht die sportliche Konkurrenz unter den Sportlern steht im Vordergrund, sondern das an Paraden gefeierte Kollektiv des Sozialismus. (Bild: 2016 © Archivio Fotografico – Fondazione Musei Civici di Venezia / 2017, ProLitteris, Zurich)
Alexander Deineka, Das Rennen, 1930. Öl auf Leinwand, 150 × 120 cm – Sport ist ein beliebtes Sujet im Sozialistischen Realismus. Nicht die sportliche Konkurrenz unter den Sportlern steht im Vordergrund, sondern das an Paraden gefeierte Kollektiv des Sozialismus. (Bild: 2016 © Archivio Fotografico – Fondazione Musei Civici di Venezia / 2017, ProLitteris, Zurich)

Natalija Gontscharowa, Die Fabrik, 1912. Öl auf Leinwand, 102,5 x 80 cm - Natalija Gontscharowa (1881–1962) ist die wohl einflussreichste russische Avantgarde-Künstlerin und Bühnenbildnerin. 1913 werden über 800 ihrer Werke in Moskau gezeigt. 1915 verlässt sie Russland. (Bild: © 2017, Staatliches Russisches Museum, St. Petersburg / 2017, ProLitteris, Zurich)
Natalija Gontscharowa, Die Fabrik, 1912. Öl auf Leinwand, 102,5 x 80 cm – Natalija Gontscharowa (1881–1962) ist die wohl einflussreichste russische Avantgarde-Künstlerin und Bühnenbildnerin. 1913 werden über 800 ihrer Werke in Moskau gezeigt. 1915 verlässt sie Russland. (Bild: © 2017, Staatliches Russisches Museum, St. Petersburg / 2017, ProLitteris, Zurich)

Peter Carl Fabergé, Fabergé Ei, Tischuhr mit Moser–Uhrwerk in Form, 1893. St. Petersburg. Silber, Nephrit, vergoldet, ziseliert - Zar Alexander III. schenkt dem Arzt Dr. Johann Mezger eine Tischuhr in Form eines Fabergé-Eis. Die von vom Juwelier Peter Carl Fabergé hergestellten Preziosen gelten im Zarenreich als Inbegriff von Pracht und Kostbarkeit. (Bild: Fondation Igor Carl Fabergé, Genève)
Peter Carl Fabergé, Fabergé Ei, Tischuhr mit Moser–Uhrwerk in Form, 1893. St. Petersburg. Silber, Nephrit, vergoldet, ziseliert – Zar Alexander III. schenkt dem Arzt Dr. Johann Mezger eine Tischuhr in Form eines Fabergé-Eis. Die von vom Juwelier Peter Carl Fabergé hergestellten Preziosen gelten im Zarenreich als Inbegriff von Pracht und Kostbarkeit. (Bild: Fondation Igor Carl Fabergé, Genève)


Arkadi Schaichet, Komsomol-Mitglied, Balachna, 1931 - Nach der Revolution wird die Jugendorganisation der Bolschewistischen Partei, Komsomol, gegründet. Sie nimmt am russischen Bürgerkrieg und später an den Industrialisierungs- und Kollektivierungskampagnen teil. (Bild: © Shaikhet Family / Multimedia Art Museum, Moscow / "Moscow House of Photography" Museum)
Arkadi Schaichet, Komsomol-Mitglied, Balachna, 1931 – Nach der Revolution wird die Jugendorganisation der Bolschewistischen Partei, Komsomol, gegründet. Sie nimmt am russischen Bürgerkrieg und später an den Industrialisierungs- und Kollektivierungskampagnen teil. (Bild: © Shaikhet Family / Multimedia Art Museum, Moscow / „Moscow House of Photography“ Museum)

Fritz Platten, undatiert - Fritz Platten (1883–1942), Sozialdemokrat und spätere Kommunist, nimmt an den Friedenskonferenzen von Zimmerwald und Kiental teil, wo er Lenin kennenlernt. Platten wird enger Vertrauter Lenins und organisiert dessen Rückreise nach Petrograd. (Bild: Universitätsbibliothek Basel, Handschriften und Alte Drucke, NL 340 Platten, Fritz N.)
Fritz Platten, undatiert – Fritz Platten (1883–1942), Sozialdemokrat und spätere Kommunist, nimmt an den Friedenskonferenzen von Zimmerwald und Kiental teil, wo er Lenin kennenlernt. Platten wird enger Vertrauter Lenins und organisiert dessen Rückreise nach Petrograd. (Bild: Universitätsbibliothek Basel, Handschriften und Alte Drucke, NL 340 Platten, Fritz N.)

Russland. 1917 - Februarrevolution. Das Bild zeigt die Demonstranten am zweiten Tag der Februarrevolution. Am 11. März erteilte Zar Nikolaus II. den Schiessbefehl gegen die Aufständischen. (Bild: KEYSTONE/IMAGNO/Anonym)
Russland. 1917 – Februarrevolution. Das Bild zeigt die Demonstranten am zweiten Tag der Februarrevolution. Am 11. März erteilte Zar Nikolaus II. den Schiessbefehl gegen die Aufständischen. (Bild: KEYSTONE/IMAGNO/Anonym)

Anton Krenn, Lenins Arbeitstisch - Der Revolutionsführer Lenin (Wladimir Iljitsch Uljanow, 1870 – 1924) und seine Frau Nadeschda Krupskaja wohnen ab 1916 in Zürich an der Spiegelgasse 14 in einfachen Verhältnissen. Spiegelgasse 14, um 1917. (Bild: © Anton Krenn / Fotostiftung Schweiz)
Anton Krenn, Lenins Arbeitstisch – Der Revolutionsführer Lenin (Wladimir Iljitsch Uljanow, 1870 – 1924) und seine Frau Nadeschda Krupskaja wohnen ab 1916 in Zürich an der Spiegelgasse 14 in einfachen Verhältnissen. Spiegelgasse 14, um 1917. (Bild: © Anton Krenn / Fotostiftung Schweiz)

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Oberstes Bild: Nach der Oktoberrevolution kehren rund 8000 Russlandschweizer in ihre Heimat zurück. Sie kommen in ein Land, das viele von ihnen noch nie gesehen haben. (Bild: Fotograf unbekannt, 1920. Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich)
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Quelle: Schweizerisches Nationalmuseum

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