Wer kennt nicht die wunderbare Szene aus dem Film „Ziemlich beste Freunde“, in der die beiden Hauptdarsteller gemeinsam zum Paragliding gehen und die unvorstellbare Freiheit der Lüfte geniessen?
In zahlreichen Flugschulen können Sie Drachenfliegen lernen – wer sich nicht allein in den Hängegleiter wagt, erkundet bei einem Tandemflug mit einem erfahrenen Begleiter die Welt von oben. Heben Sie bei einem Schnuppertag ab und entdecken Sie die Leidenschaft fürs Drachenfliegen!
Auf den Spuren Otto Lilienthals
Die Geschichte des ersten Flugpioniers Otto Lilienthal kennen wir alle: Im Jahr 1891 nutzte er einen Hang in der Nähe von Potsdam zum ersten Mal, um durch die Lüfte zu segeln. Lilienthal gilt als Wegbereiter des Prinzips „schwerer als Luft“. Mit diversen Gleitflügen und unterschiedlichen Flugapparaten absolvierte er die ersten Menschenflüge der Weltgeschichte.
Optisch sind die heutigen Gleitschirme nicht weit von Lilienthals ursprünglichen Konstruktionen entfernt. Der Ingenieur Francis Melvin Rogallo trug entscheidend zur weiteren Entwicklung der Gleitschirme bei. Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte er nach Angaben des Deutschen Hängegleiterverbandes e. V. gemeinsam mit seiner Frau einen Drachen mit Tragflächen aus Stoff her. Die Idee, ein Fluggerät aus einem quadratischen Stück Stoff zu konstruieren, liess er sich 1951 patentieren. Später arbeitete der Ingenieur für die NASA und entwickelte einen Gleiter mit klappbaren Flügeln für die Rückkehr von ausgebrannten Raketenstufen zur Erde.
Im Jahr 1961 interessierte sich der Amerikaner Barry Hill Palmer für die Idee Rogallos, die bei der NASA inzwischen von Fallschirmen abgelöst worden war. Er baute im Jahr 1961 einen Gleiter aus Bambus und Zellophan. An den US-Küsten wurde das Drachenfliegen zunehmend beliebter, zahlreiche Künstler versuchten sich an der Konstruktion der Gleiter. In Europa blieb der Sport weitgehend unbeachtet, bis im Jahr 1973 der Kalifornier Mike Harker mit einem Gleitschirm von der Zugspitze abflog. Das Interesse der Medien war gross, und Harker gründete in der Schweiz und in Deutschland erste Flugschulen.
Wer den Sport einmal ausprobieren möchte, hat die Gelegenheit zu einem Passagier- oder Tandemflug. Flugschulen bieten dieses Event sogar für Kinder an, eine gewisse Grösse und Reife werden vorausgesetzt. Oftmals gilt ein Mindestalter von 14 Jahren. Besondere Voraussetzungen müssen Sie für einen Tandemflug nicht erfüllen, nach Angaben der Flugschule reicht es aus, einige Schritte rennen zu können und festes Schuhwerk zu tragen. Windundurchlässige Kleidung, Schutzbrille und Helm runden die Ausrüstung ab.
Nach einem Tandemflug finden viele Teilnehmer Gefallen am Drachenfliegen. Flugschulen bieten verschiedene Kurse an und stellen auch die erforderliche Ausrüstung bereit. Am Anfang der Ausbildung stehen das korrekte Anlegen der Gurte und der Aufbau des Drachenfliegers. Nach ersten Startübungen machen Sie sich mit der Steuertechnik und der Geschwindigkeitskontrolle vertraut. Auch eine sichere Landung wird eingeübt.
Von der Theorie zur Praxis
Experten rechnen für das Erlernen der ersten Grundtechniken mit drei bis fünf Tagen. Danach steht der erste Alleinflug auf dem Programm. Dabei werden Sie professionell über Funk oder direkt aus der Luft von einem erfahrenen Fluglehrer begleitet. Bei einigen Flugschulen erlernen Sie die Technik zunächst auf dem sicheren Boden. In anderen Schulen beginnen Sie in der Luft mit der Ausbildung und starten gemeinsam mit Ihrem Fluglehrer in einem Doppelsitzdrachen.
Nach ungefähr 30 Starts und Landungen und dem Erlernen des theoretischen Wissens steht die Prüfung auf dem Programm. Das Ablegen der theoretischen Prüfung ist eine Zugangsvoraussetzung für die praktische Prüfung. Nach erfolgreichem Abschluss halten die Drachenflieger das Pilotenbrevet in Händen und können künftig allein abheben.
Wer über ein Pilotenbrevet verfügt, aber länger nicht geflogen ist, sollte zunächst mit einem Kurs für Wiedereinsteiger sein Können auffrischen. Gemeinsam mit anderen Drachenfliegern macht das besonders viel Spass! Zahlreiche Flugschulen haben Auffrischkurse im Angebot. Nach wenigen Stunden fühlen Sie sich wieder sicher genug, allein zu starten!
Natürlich ist das Abheben vom Boden grundsätzlich nicht ungefährlich. Aufgrund der recht niedrigen Geschwindigkeiten sind tödliche Unfälle beim Drachenfliegen selten. Dennoch besteht ein Verletzungsrisiko, denn ausser einem Helm tragen die Drachenflieger keine weitere Schutzkleidung. Bei einem Sturz aus grösserer Höhe müssen Sie also durchaus mit Prellungen oder Knochenbrüchen rechnen.
Leichtsinn und zu hohe Risikobereitschaft können auch beim Drachenfliegen leicht zu Verletzungen führen! Wichtig ist, sein Können genau einzuschätzen und sich auf keinen Fall zu viel zuzumuten. Achten Sie vor einem Start besonders auf gutes Wetter. Turbulenzen in der Luft können erfahrene Piloten in Schwierigkeiten bringen. Nach Angaben des Deutschen Drachenflugverbandes DHV führt vor allem die falsche Einschätzung der Wetterlage zu Unfällen.
Drachenfliegen in den Alpen
In der Schweiz gibt es herrliche Regionen zum Abheben. Eigentlich können Sie überall durch die Lüfte gleiten, wo es einen Berg zum Abheben und einen lauen Wind gibt, der Ihnen Auftrieb verschafft. Besonders schön ist natürlich ein Flug über die Gipfel der Schweizer Alpen. Ein bekanntes Fluggebiet ist die Region rund um den Pilatus.
Als eines der ältesten Fluggebiete der Zentralschweiz erfordert ein Flug rund um den Drachenstein jedoch einige Übung, denn die aktive Thermik muss genau kalkuliert werden. Von der Luft aus haben Sie einen grandiosen Blick über die herrliche Seen- und Gebirgslandschaft!
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